Dein/e Freund/in oder dein Partner hat dich zu einem Date eingeladen. Jetzt fehlt nur noch das richtige Outfit. Du machst den Schrank auf und schaust eine Weile, aber findest nichts Passendes zum Anziehen. Das ist nicht nur ein Frauenthema; dieses Gefühl kennen wir alle.
Wir stellen euch deshalb eine Frage: Wie viel von den Sachen in eurem Schrank, zieht ihr wirklich an? Jeder hat mindestens ein Kleidungsstück, bei dem man unsicher ist, wie es seinen Weg in den Schrank gefunden hat.
Warum ist das so? Keine Sorge – wir ersparen euch eine weitere Chemiestunde zum Thema Dopamin. Wenn euch das interessiert, lest gerne unseren Blogartikel „Überkonsum – der kleine Teufel in der Brieftasche“.
Überkonsum bei Kleidung
Viele Menschen kaufen Kleidung aus Gewohnheit oder Langeweile. Ein neues Shirt für den schnellen Stimmungsboost, eine Hose im Sale, Trends, die nach wenigen Wochen wieder out sind.
Weltweit werden jedes Jahr rund 100 Milliarden Kleidungsstücke produziert – deutlich mehr, als tatsächlich gebraucht wird. In Österreich wirft jede/r im Schnitt rund acht Kilo Kleidung jährlich weg. Wie konnte es so weit kommen?
Fast Fashion & Mikrotrends
Fast Fashion und Mikrotrends haben unser Verhältnis zu Kleidung radikal verändert. Mode wird heute oft als Wegwerfprodukt gesehen: billig produziert, schnell gekauft und ebenso schnell entsorgt. Die ständige Verfügbarkeit neuer Kollektionen befeuert ein Konsumverhalten, das nicht mehr auf tatsächlichem Bedarf, sondern auf kurzfristigem Habenwollen basiert. Der eigene Stil wird durch schnelllebige Modeimpulse ersetzt.
Dadurch geht das Bewusstsein für Qualität, Handwerk und Materialien zunehmend verloren. Wenn ein T-Shirt weniger kostet als ein Coffee-to-go, fragen nur noch wenige, unter welchen Bedingungen es hergestellt wurde.
Die Grenze zwischen „brauchen“ und „haben wollen“ verschwimmt und mit ihr das Verständnis für den wahren Wert von Mode.
Social Media & Haul - Kultur
Kleidung war schon immer ein Ausdruck von Identität – doch in Zeiten von Social Media und Schnellkonsum hat sie sich zunehmend zum Statussymbol entwickelt. Was man trägt, zeigt nicht nur Stil, sondern auch Zugehörigkeit, Trendbewusstsein und in vielen Fällen finanziellen Spielraum. Wer es sich leisten kann, ständig neue Outfits zu präsentieren, wird oft als erfolgreicher oder „angesagter“ wahrgenommen – besonders online, wo Likes und Sichtbarkeit eng mit Äußerlichkeiten verknüpft sind.
Das Problem: Der soziale Druck steigt. Vor allem junge Menschen erleben Kleidung nicht mehr nur als praktische oder ästhetische Wahl, sondern als soziale Eintrittskarte. Wer nicht mithalten kann, fühlt sich schnell ausgeschlossen. Kleidung wird so zum Maßstab für Wert und Zugehörigkeit, statt Ausdruck von Persönlichkeit und Kreativität zu sein.
Haul-Kultur beschreibt das Phänomen, dass vor allem Influencer*innen auf Plattformen große Mengen neuer Kleidung in „Haul“-Videos präsentieren und so das ständige Kaufen aktueller Trends zelebrieren. Diese Kultur wird gefeiert, statt hinterfragt. Sie verzerrt das Bild von normalem Konsum, belastet die Umwelt durch hohe Produktions- und Müllmengen. Hinzu kommt, dass viele dieser Hauls von den Marken gesponsert sind, was die Kaufanreize zusätzlich verstärkt und die Authentizität der Empfehlungen in Frage stellt.
Was kann man dagegen tun?
Um dem Trend entgegenzuwirken, braucht es Veränderung auf mehreren Ebenen:
1. Bewusstsein schaffen
Aufklärung ist der Schlüssel: Wer versteht, wie Kleidung produziert wird, wie unfair die Bedingungen oft sind und wie viel Ressourcen darin stecken, entwickelt ein anderes Verhältnis zu Mode.
2. Vorbilder und Narrative ändern
Influencer*innen, Marken und Organisationen können einen echten Unterschied machen, wenn sie zeigen, dass Stil nichts mit Neu-Kaufen zu tun hat. Second-Hand, Leihen, Reparieren oder Upcycling brauchen mehr Sichtbarkeit – und Coolness. Statt „Immer neu“ sollten wir „Immer wieder“ feiern.
3. Zugang zu Alternativen erleichtern
Second-Hand-Läden, Flohmärkte, Kleidertauschpartys, oder Kleidertauschboxen machen nachhaltigen Konsum greifbar – vor allem für Menschen mit kleinem Budget. Wenn faire Mode zugänglicher wird, sinkt auch der Druck, sich über Fast Fashion zu definieren.
4. Wert neu definieren
Statt Status über Labels oder Trends zu zeigen, sollten wir anfangen, echte Werte in den Mittelpunkt zu rücken: Kreativität, Langlebigkeit, Herkunft und Geschichte eines Kleidungsstücks. Wenn wir anfangen, Geschichten statt Preisschilder zu sehen, verändert sich der Blick auf Mode grundlegend.
5. Bewusst konsumieren und reflektieren
Ein wichtiger Schritt ist, den eigenen Kleiderschrank ehrlich zu hinterfragen: Was trage ich wirklich? Was liegt seit Jahren unberührt? Wer regelmäßig ausmistet, bewusst kauft und vielleicht sogar trackt, wie oft er bestimmte Teile wirklich anzieht, entwickelt ein besseres Gespür für den eigenen Stil und den tatsächlichen Bedarf. Das schützt nicht nur vor Fehlkäufen, sondern fördert auch die Wertschätzung für jedes einzelne Stück.
Überkonsum ist kein individuelles Versagen, sondern ein systemisches Problem. Doch jede/r von uns kann im Kleinen etwas verändern. Mit Bewusstsein, Neugier und dem Mut, gegen den Strom zu schwimmen.